Steinkreis

Schon länger hatte ich Lust, einmal etwas weniger Vergängliches zu schaffen als Theater- oder Filmrollen (von letzteren bleibt ja wenigstens noch die Aufzeichnung).
Im Februar 2017 bot sich die Gelegenheit. Ein Trümmerfeld im Süden des Geländes von Kloster Malgarten (www.kloster-malgarten.de) sollte umgestaltet werden. So sah es im Winter 2016/17 von oben aus:

Bei den Trümmern handelte es sich um die Steine eines abgebrochenen neugotischen Bruchsteinbürgerhauses, die für ein Bauprojekt in Kloster Malgarten vorgesehen waren. Das kam aber nicht zustande, so dass die Steine als formloser, heillos mit Kraut überwucherter Haufen an die 20, 25 Jahre im Gelände lagen, bis ich im Februar 2017 eine Gruppe von zehn jungen Männern auf sie ansetzte, mit dem Auftrag, die Steine mehr oder weniger von Hand in eine grobe Ringstruktur zu bringen. Das stellte sich jedoch als eine Sisyphus-Arbeit heraus, die von den Jungs, ausgerüstet mit ein paar Hacken und Schaufeln, einfach mal nicht zu leisten war. Also ließ ich Maschinen kommen, die die Steine zum einem Ringgebirge rund um den zukünftigen Kreisplatz auftürmten.
Als ich das Ergebnis sah, wurde mir doch etwas flau im Magen. Jetzt sah alles noch viel schlimmer aus als zuvor. Wie sollte aus dieser Wüstenei jemals eine auch nur halbwegs ansprechende Steinsetzung werden?

Wie auch immer - Anfang März 2017 begann ich mit meinen Helfern Klaus und Gerd, die Steine aus dem Ringgebirge zu graben und nach Größe und Beschaffenheit vorzusortieren.
Wir gruben ein Stück ringförmiges Fundament in den steinhart verbackenen Boden und errichteten einen ersten Abschnitt des zukünftigen Steinkreises in Trockenmauer-Bauweise, was bedeutet, dass die Steine ohne auch nur ein Gramm Mörtel dazwischen aufeinanderliegen.

Dann aber wurden Klaus und Gerd zu anderen Arbeiten abgezogen, so dass ich in der Folgezeit mehr oder weniger allein auf der Baustelle blieb.
Der März sah mich einsamen Verrückten Steine mit der Spitzhacke aus dem Ringgebirge graben und auf unterschiedlichen Haufen deponieren - je nach Größe und Form der Steine. Steine, Steine, Steine ...
Nach einem extrem nasskalten April, in dem wir kaum am Steinkreis weiterarbeiten konnten, ging es im Mai dann etwas schneller voran. Jedoch nicht schnell genug, um mich nicht doch hin und wieder verzweifeln zu lassen. Na, da hast du dich wohl doch ein bisschen übernommen, wurden in dieser kritischen Phase erste spöttische Stimmen laut. Wir werden sehen, dachte ich und machte ingrimmig weiter.

Einen psychologisch wichtigen Ruck nach vorn machte das Projekt, als es Klaus und mir Ende Mai gelang, einen Helfertrupp von vier gut zupackenden Männern zu organisieren, die an einem einzigen total verregneten Tag fast ein Drittel der Ringmauer hochzogen. Ohne diesen Vorschub hätte ich wohl früher oder später aufgegeben - oder? Allerdings fehlte dem neuen Mauerabschnitt noch die Abdeckung, und an der einen oder anderen Stelle musste ich ihn aus Stabilitätsgründen noch mal neu konzipieren. Zudem galt es, auch noch die großen Büsche am Rande der Anlage in diese zu integrieren. Dazu musste das schier unbezwingbare Ringgebirge schubkarrenweise als Füllung zwischen Mauerring und Gebüschreihe verbracht werden - eine Arbeit, die einfach kein Ende nehmen wollte. In dieser Phase fühlte ich mich oft wie Fitzcarraldo, der allen Widerständen zum Trotz seinen Flussdampfer über den Berg im peruanischen Dschungel zieht. Und zieht, und zieht, und zieht ...

Irgendwie blieb ich dran. Bei Vorhaben, die schier aussichtslos scheinen und dennoch abgeschlossen werden müssen, gilt ja nur eines: Einfach weitermachen. Und so geschah schließlich das lang Ersehnte, kaum noch für möglich Gehaltene:
Am 21. Juni 2017, genau um 22.50 Uhr, setzte ich zusammen mit meinem Helfer der letzten Stunde Christian den Schlussstein in die Abdeckung des fertigen Steinkreises. Das Bier, das wir danach tranken, schmeckte mir wie keines zuvor in meinem Leben.

Doch noch war ich nicht fertig. Das Heraushacken und Verbringen unzähliger Schubkarren Steine aus der Innenfläche des Kreises stand noch an, dann deren Planierung und das Einsäen von Gras. Das war am 23. Juni geschafft, und kaum dass ich fertig war, segnete der einzige Regenguss in jener Trocken- und Hitzephase das Werk. Das Eintrampeln des Grassamens besorgte eine Frauen-Kreistanz-Gruppe, die in jenen Tagen zufällig vor Ort war und mich fragte, ob sie im soeben fertiggestellten Steinkreis tanzen dürfe. Ja, sagte ich, doch nur, wenn ihr wirklich jedes Fleckchen der Innenfläche betanzt. So geschah es, was zur Folge hatte, dass das Gras sehr schnell kräftig zu sprießen begann.

Am 25. Juni 2017 eröffnete ich den Steinkreis mit einer Lesung.

An dieser Stelle möchte ich mich nochmals bei meinen Helfern bedanken. Ohne ihre Unterstützung hätte ich wohl nicht durchgehalten. Dennoch dürften so an die 90 Prozent der Arbeit an mir hängengeblieben sein, wenn ich das hier einmal nicht ohne Stolz anmerken darf. Aber ich will mich nicht beklagen - ich hab's ja nicht anders gewollt.
Wir schätzen, dass wir rund 100 Tonnen Steine verbaut haben. (Fast) jeden einzelnen von ihnen hatte ich mindestens dreimal, oft auch fünfmal, manchmal bis zu zehnmal in den Händen. Das Aufeinandersetzen der Steine war bisweilen eine elende Plackerei. Anfangs suchte ich den jeweils passenden Stein noch - das konnte sich hinziehen. Als ich dazu überging, nicht mehr zu suchen, sondern mich vom nächstpassenden Stein finden zu lassen, wurde die Arbeit leichter - und zu Meditation.
Mein Rücken hat die viermonatige Schlepperei unbeschadet überstanden. Nur die Hand- und Fußgelenke taten mir noch wochenlang weh, doch das ist inzwischen auch Geschichte.
Heute dient der Steinkreis Anwohnern und Besuchern von Kloster Malgarten als Ort der Ruhe, Sammlung und Meditation, des Zusammenkommens und Feierns sowie für Veranstaltungen unterschiedlichster Art. Er ist ein echter Attraktor auf einem bis dahin unwirtlichen Teil des Klostergeländes geworden.
Zudem sind mit dem Steinkreis an die 2000 mietfreie Eidechsenwohnungen in bester Südlage entstanden.
Eidechsen kommt! Denn eigentlich haben ich den Steinkreis für euch gebaut.

Ein Beispiel für die Nutzung des Steinkreises: Hier klicken!

Weitere Steine und Steinsetzungen finden sich unter http://atelier-im-malgarten.de/skulpturen-garten